30 jahre aber den sinn des lebens habe ich immer noch nicht rausgefunden
30 jahre aber den sinn des lebens habe ich immer noch nicht rausgefunden
30 jahre aber den sinn des lebens habe ich immer noch nicht rausgefunden
Together a festival for all and none

35. Stuttgarter Filmwinter
Festival for Expanded Media
07.-16.1.2022

News

Alle Preisträger:innen 2022 und Jury Statements

Buggles Award 2022

Jury: Florian Fischer, Bettina Korintenberg, Colyn Heinze

Publikumspreis
WiLD – MiDO (feat. Nadim)
Regie: dreifarbenpanda

Lobende Erwähnung
Levin Goes Lightly – Flirren
Regie: Florian Siegert

Mäandernd zwischen digitaler HD und analoger VHS-Ästhetik inszeniert der Regisseur Florian Siegert eine Performance von zwei Akteur*innen zu den synthetischen Klängen von Levin Goes Lightly. Mal synchron, mal annähernd bewegen sich die beiden Tänzer*innen durch einen roséfarbenen Nebel und verbinden sich zu einem flirrenden und wabernden Amalgam, das Geschlechterzuschreibungen hinter sich lässt.


1. Preis
Yum Yum Club – Heute nicht raus!
Regie: Marius Schwingel

Der Song „Heute nicht raus“ lenkt die Aufmerksamkeit auf einen Protagonisten, der im Stuttgarter Nachtleben eine Randerscheinung ist. Der Fahrer eines Reinigungsfahrzeugs durchstreift die Königsstraße und erhascht an den Rändern seines Sichtfelds Fragmente von Feiernden und Obdachlosen. Anhand dieses eigenwilligen, dokumentarischen Zugriffs distanziert sich der Regisseur Marius Schwingel, der zugleich Teil des Kollektivs Yum Yum Club ist, von einer reinen Adaption subkultureller Codes – was nach wie vor für den Großteil aller Musikvideos gilt. Schwingel eignet sich die multiperspektivischen Blickmöglichkeiten des Arbeiters sowie des monströsen Nutzfahrzeugs geschickt an, ohne dabei voyeuristisch zu sein. Im Hinblick auf die Corona-bedingten Reinigungs- und Desinfizierungsmaßnahmen erscheint der Wunsch nach einer aseptischen, dreckbefreiten Innenstadt wie eine symbolische Handlung, die die Ängste der Gesellschaft vor dem Unsichtbaren abbildet.

2 Minuten Kurzfilmpreis

Jury: Sigrid Gairing, Sabina Klemm, Johannes Duncker

Lobende Erwähnung
Deep Waters
Regie: Islam Elnebishy

Wir blicken in den ungetrübten Himmel, ein tiefes Blau. Hände kommen ins Bild, dann einzelne Körperteile und anschließend ganze Körper, im Tanz um uns herum und über uns hinweg. Es ist ein Spiel mit der Kadrage - dem Sichtbaren und Unsichtbaren - begleitet von einem wunderbaren Soundtrack. Ein Film, der die Freude an der Bewegung, am Tanz zelebriert und uns durch seine ungewohnte Perspektive dazu einlädt, einen frischen Blick auf die Welt zu werfen.

Gewinnerin 2 Minuten Kurzfilmpreis 2022
Bleiwüste
Regie: Vera Sebert

Die Künstlerin Vera Sebert lotet in ihrer Videoarbeit „Bleiwüste“ die Grenze zwischen dem geschriebenen Wort, der visuellen Sprache und dem digitalen Ton aus und zeigt auf eindrucksvolle Art und Weise die Wechselwirkung der einzelnen Elemente auf. Durch die Einfachheit und Klarheit der zweidimensionalen Schwarzweiß-Bilder wird der Inhalt des Textes anschaulich wiedergegeben: Die einzelnen „schweren“ Wörter zerfallen buchstäblich vor den Augen des Betrachters, der dazu animiert wird, die digitalen Worttrümmer in dem vorgegebenen Rhythmus analog neu zusammenzufügen. Seberts Arbeit ist ein virtueller Experimentierraum, der die Betrachtenden zum Neudenken anregt.

Internationaler Kurzfilmwettbewerb

Jury: Marie Gavois, Luigia Lonardelli, Johannes Krell, Wolfgang Mayer

Zwei lobende Erwähnungen:

Land of Glory (Pannónia Dicsérete)
Regie: Borbála Nagy

Eine düstere Analyse des verinnerlichten Verhaltens von Menschen die im Ungarn von heute, durchsetzt von pathetischem Nationalismus und Gehorsam, leben. Ein Land auf der Schwelle zum Faschismus. Der Film ist sehr lustig und tragisch. Es gibt kaum Emotionen oder eher Ausdruck aber sehr viel unterdrückte Verzweiflung, offene Verachtung und Gleichgültigkeit. Man kann nach Hoffnung in der fehlenden Identifikation der Jugend suchen. Eine Komödie mit pazifistischem Ende, das einen eher in Unruhe als in Ruhe entlässt.

“Bant”
Regie: Zeynep Ece Elcin Yılmaz

In einer Art Umkehr-Strategie sehen wir in diesem von Margarita Kosareva stoisch Stopp-Motion-animiertem Tanz, wie der nackte weibliche Körper von den brutalen Bildern der Vergangenheit mit jeder weiteren zugeklebten, bedeckten und gelöschten Stelle wie von einer Bilder-Hautkrankheit, die auf ihn von innen heraus projiziert wurde, immer stärker durchbrochen wird. Die Tänzerin treibt ohne Ausdruck im Gesicht in fast gänzlichem Schwarz ihre Dämonen aus und hinterlässt Funken weiblicher Schreie. Obwohl die Bilder aus dem türkischen Fernsehen der 60er und 70er Jahre stammen, schließt der Film an das Vermächtnis des Feminismus an, der um die Omnipräsenz dieser Bilder und den Akt den sie beim Publikum hinterlässt, weiß.

Team-Work-Award:
“Blastogenesis X”
Regie: Conrad Veit and Charlotte Maria Kätzl

Der Film zeigt uns den Traum einer existierenden Vergangenheit, die fortgeführt werden muss. Ein warmherziger Film in einer kargen Landschaft mit ausdrucksstarker, angemessener Darstellung von Charlotte Maria Kätzl. Existentielle und queere Freude!
Nackte Mensch-Tier- oder Tier-Mensch-Gestalten bei der Reproduktion. Ein hybrider Künstler-Film, dilettantisch im besten Sinne. Fantastisches und spielerisches Objekt/Kostüm-Design. Eine fantasievolle Suche nach einer nicht-binären Zukunft/Vergangenheit, in der wir auf mehr und besseres Lachen in Freiheit hoffen können. Ein sicherer Ort? Nicht auf dieser Welt? Die geräuschvolle Landschaft leistet mit ihren kruden Kanten ihren Beitrag - passend zu den Bildern.

Blastogenesis X überzeugt mit einer Art Punk-Attitude hinter einem klaren Schnitt und wir können sehen wie außergewöhnlich die Zusammenarbeit von Kätzl und Veit ist.

Norman Award - Zu gleichen Teilen auf zwei Filme aufgeteilt:

“One Thousand and One Attempts to Be an Ocean”
Regie: Wang Yuyan

Der Film konfrontiert uns mit einem irren ozeanischen anti-ozeanischen Gefühl der unerträglichen Dringlichkeit. Es gibt keine Sicherheit mehr, kein Ort, an dem man sich verstecken kann, man kann nicht mehr wegsehen und flüchten - auch nicht in Utopien. Der Zusammenbruch unseres fast krankhaften Bedürfnisses nach Aufnahmen, Informationen und Nachrichten das zu einer Art statischem Terror wird. Auflösung in der Masse, Erstickung, Fluidität des Ornaments, Zerstörung, Penetration, Osmose als Gerechtigkeit, als entropisches Endspiel, als Tod. Zellen, Fasern, Wachstum, neuer Wuchs, neuer Wuchs zur rechten Zeit. Oder, wie Anohni in "Cripple and Starfish" singt: ich seufze und blute wie Fallobst, glücklich blutend, glücklich zerschrammt. Ich bin sehr glücklich also schlag mich bitte. Ich bin sehr sehr glücklich, also verletzte mich. Wie bei einem Seestern wird alles nachwachsen." Oder wie die maschinenartig stotternde Stimme im Film sich nicht-artikulierend äußert: "Du hattest diesen Ausdruck im Gesicht von, keine Ahnung, Elend vielleicht,..."

“KLITCLIQUE - Zu Zweit”
Regie: Anna Spanlang & KLITCLIQUE

Ein Low-Tech-Energie-Angriff mit Überblendungen in Männerwelten, in dem die männliche Präsenz und das zugehörige Bedürfnis von sexy und willigen Frauen-Duos bedient zu werden, deformiert und zerstört wird und überschrieben mit der dominanten Narration von Macht und Pornografie, die Verschmutzung durch den visuellen Müll der Unterdrückung der Frau wird ausgelöscht. Insistenz mit Humor und Unbeholfenheit und großartige Punk-Dada-HipHop-Texte über eine post-phallokratische Zukunft, die schon hier ist und in der die Objekte der männlichen Macht und Gewalt tönerne Relikte der Vergangenheit sind. Ein Paar asynchron rotierender Spiegel zeigt diese Objekte, die wie traumatische Formen aus dem Kunstkurs in der Reha vor langer Zeit daherkommen. Träume aus der Vergangenheit. "Egal wo du bist: leck meine Klit".
Spaßverderber vom Feinsten _ feministischer Rap der auf der ganzen Linie ermutigt, auf allen Ebenen. Ein Kick!

Wand 5 Ehrenpreis

Unser Gewinnerfilm hinterfragt die Sicht auf traditionelle Geschichte anhand performativer Elemente. Durch die Thematisierung eines männerdominierten Systems trifft der Film den Geist unseres diesjährigen Festivals.

Wir freuen uns sehr dem Film „Another Awaiting Stone“ von Kanthy Peng unseren diesjährigen Wand 5 Ehrenpreis verleihen zu dürfen. Herzlichen Glückwunsch.

Internationer Wettbewerb Medien im Raum & Network Culture

Jury: Christiane Hütter, IP Yuk-Yui

Expanded Media Award 2022
Kategorie: Medien im Raum
Den of Wolves, Jonathan Monaghan

Eine quasi-mythische Reise, die den Betrachter in ein Acryl-Labyrinth führt. Jenseits der bonbonfarbenen Kulissen erinnerte uns die süße Plastiklandschaft eindringlich an die dunkle Realität der über uns schwebenden technokratischen Theokratie.

Die realen Bilder des Sturms auf das Capitol im Januar 2021, die sich als klare Grenzüberschreitung in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt haben, werden in dieser Arbeit mit künstlerischen Mitteln interpretiert, angefochten und überschrieben. Mit zeremonieller Langsamkeit beobachten wir den Weg dreier Wölfe, die königliche Symbole (Mantel, Apfel und Zepter) zwischen den glatten, bonbonfarbenen Oberflächen der dritten Orte (Flughafen, Apfelladen, Coffeeshop) sammeln und tragen, die alle verlassen und möglicherweise austauschbar zum Zentrum der Macht sind.

Die Jury ist beeindruckt von der ausdrucksstarken Verwendung der Ikonografie in der Arbeit, die starke und evokative Assoziationen weckt, die relevant und zeitgemäß sind und episodische Geschichten entwickelt und liefert, die offen für Interpretationen sind und keine einfachen narrativen Abschlüsse aufweisen. Die installierte Version, mit der Projektion auf eine größere Leinwand in einem physischen Raum, fügt dem Seherlebnis des Werks eine unheimliche Qualität hinzu und schafft ein intimes und doch überlebensgroßes Gefühl, das mit der synthetischen Landschaft im Video übereinstimmt.

Expanded Media Award 2022
Kategorie: Network Culture
Falling, Sandrine Deumier

„Falling“ ist eine Studie des Zusammenbruchs, sowohl im wörtlichen als auch im allegorischen Sinne. Durch den kreativen Einsatz der 360-Grad-Video-Technik und Inspirationen aus der Netzkultur wird ein offener fantastischer Raum konstruiert, der die Betrachterin und/oder den Betrachter mit einer Reihe rätselhafter fallender weiblicher Schaufensterpuppen oder Cyborgs inmitten einer minimalen monochromen Einöde konfrontiert. Warum fallen sie? Wovon fallen sie? Dies sind einige der Fragen, die man sich unweigerlich stellt, während man in das lautlose Panorama eintaucht.

Durch die ständige Veränderung des Maßstabs und der Perspektive in Bezug auf die fallenden Figuren in der virtuellen Welt werden die Betrachter*innen ständig einer gleitenden Position und einer sich verändernden Haltung ausgesetzt und dadurch herausgefordert. Es entsteht eine verwirrende und doch poetische Erfahrung, die zwischen Skepsis und räumlicher Desorientierung oszilliert. Die Arbeit lädt uns ein, in techno-feministische Spekulationen einzutauchen, sie zu konstruieren oder kritisch zu hinterfragen. Das Werk hat die Kraft einer Erzählmaschine.

Ausstellung Expanded Media eröffnet am 12.01.2022

Aufgrund eines aktuell entstandenen schwerwiegenden Schadens im Projektraum des Kunstverein Wagenhalle musste die dort geplante Expanded Media Ausstellung des 35. Stuttgarter Filmwinter leider kurzfristig aus Sicherheitsgründen verschoben werden. Wir freuen uns, dass eine Ausstellung im Rahmen des Festivals doch noch möglich wird. Kommt vorbei!